Lauschangriff

Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2006 scheiden sich am 2,77 Kilometer langen Rundkurs des LuK Driving Center am Baden-Airpark die Geister. Von den Auto- und Motorradenthusiasten zwischen Anneau du Rhin im Süden und Hockenheim im Norden gefeiert, ist er den Anwohner seit jeher ein Dorn im Auge. Oder besser – im Ohr.

Die Anlage des LUK Driving Center

Es wurden zwar ab dem ersten Planungstag alle Auflagen erfüllt und dabei besonders darauf geachtet, dass die Grenzwerte des Tages-Lärmexpositionspegels [dB (A)] eingehalten werden. Dennoch regte sich bereits nach der Eröffnungsveranstaltung vehementer Widerstand gegen den Fahrbetrieb auf dem Handlingkurs der Fahrsicherheitszentrums. Ein Konflikt, der in den nunmehr fünf Jahren des Bestehens der Einrichtung und trotz einer Vielzahl von Zugeständnissen durch den Betreiber der Anlage, nicht beigelegt werden konnte.
Anfang Oktober 2011 fanden daher bereits zum wiederholten Mal Messungen zur Bestimmung der Geräuschemissionen durch Motorräder am Driving Center Baden (DCB) statt. Die anhaltenden Proteste und Klagen der Anwohner der Gemeinde Schiftung, ließen dem vermittelnden und für die
Bauleitplanung zuständigen Zweckverband Söllingen keine andere Wahl, als die Lärmentwicklung durch den Fahrsicherheits- und Testbetrieb erneut zu bewerten. Ziel war es dieses Mal jedoch nicht, die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte zu belegen, sondern es sollten vor allem Lösungsansätze zur Milderung der Belastungsspitzen während der Veranstaltungen erarbeitet werden. Denn es sind weniger die normalen Fahrgeräusche, die die Bürger der Gemeinde Schiftung monieren. Es sind vor allem die Lärmspitzen, die beim Herausbeschleunigen auf die im Nordosten des Kurses gelegene Gerade entstehen. Und ausgerechnet dieser Streckenteil liegt mit nur fünfhundert Meter Entfernung der Gemeinde Schiftung am nächsten.
Zwar wird der, in der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) geforderte, Mittelungspegel von 55 dB (A) für die Tageszeit in Schiftung eingehalten. Da die Spitzen der Geräuschimmission in Ortsnähe aber darüber liegen, versuchte der Zweckverband mit einem umfangreichen Testprogramm die Situation neu zu bewerten und Alternativen zur bisherigen Nutzweise der Teststrecke zu erarbeiten.

Neue Wege

Um vergleichbare Mess- und vor allem Höreindrücke zu schaffen, wurden von den Mitarbeitern des Zweckverbandes vier verschiedene Fahrszenarien ersonnen.
Im Szenario 1 wurde die Strecke vom gemischten Testfahrerfeld (von der supersportlichen BMW S 1000 RR bis zur Brot-und-Butter-Mopete Suzuki GSR 600 war alles vertreten) in normaler Richtung umrundet. Das hieß zügiges Umfahren der Strecke im Uhrzeigersinn, ohne an die Grenzen des persönlichen Fahrkönnens zu gehen. Diese Einheit diente der Bestimmung der Normalbelastung.
Szenario 2 zeichnete sich durch die Umkehr der Fahrtrichtung aus. Von dieser Variante erhoffte man sich eine deutliche Verringerung der Geräuschemissionen im neuralgischen, nordöstlichen Streckenteil und damit eine niedrigere Lärmbelastung in Richtung der Gemeinde Schiftung.
Im Szenario 3 wurden dann wieder auf die konventionelle Streckenführung zurück gewechselt. Allerdings durfte die erste Hälfte der Gerade nur mit reduzierter Geschwindigkeit befahren werden. Auf der restlichen Strecke war dann wieder volles Tempo erlaubt. Auf diese Weise sollte geklärt werden, ob durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung im nordöstlichen Streckenabschnitt die Lärmexposition von Schiftung reduziert werden kann.
Im Szenario 4 befuhr jeweils ein Motorrad die Strecke erst entgegen und dann im Uhrzeigersinn.
Während die Varianten zwei und drei als mögliche Alternativen zum bisher gängigen Fahrbetrieb gedacht waren, diente das vierte Szenario hauptsächlich dazu, der Hörergruppe einen direkten akustischen Vergleich der beiden Fahrtrichtungsvarianten zu ermöglichen.

Der Fuhrpark - Von Sportler bis Naked Bike war alles vertreten

Um allen Interessengruppen gerecht zu werden, wurden die Messfahrten in drei Schritten bewertet. Um für die nötigen, harten Fakten zu sorgen, wurde eine Messfirma beauftragt, die in vorab definierten Abständen die Geräuschemissionen messtechnisch aufnehmen sollte. Das subjektive Hörempfinden innerhalb der Ortschaft Schiftung wurde durch eine Testhörergruppe mit Hilfe von Bewertungsbögen dokumentiert. Natürlich stammte keiner der Probanden aus Schiftung selbst, um etwaige, negative Vorbelastungen ausschließen zu können. Um dennoch für Transparenz zu sorgen und die Objektivität der Testhörer zu belegen, war auch ein Anwohner der Gemeinde Sinzheim unter den Testhörern.
Den gleichen Anspruch hatte man natürlich auch an die angereisten Motorradfahrer. Für die Auswahl der Testpiloten bat Herr Hans-Peter Volkmer vom Zweckverband Söllingen Rick Lowag vom gemeinnützigen Verein Rennleitung # 110 e.V. um Mithilfe.
Als Gründungsmitglied und Motorrad fahrender Schutzmann ließ er sich nicht zweimal bitten und organisierte zwölf erfahrene Kradler aus drei verschiedenen Bundesländern. Auch er achtete bei der Auswahl auf Teilnehmer mit der nötigen Objektivität. Schließlich sollte auch den Testfahrern selbst Gehör geschenkt werden, um Aspekte wie Fahrbarkeit und Fahrsicherheit der verschiedenen Varianten berücksichtigen zu können.

BMW S 1000 RR im Einsatz

Bis zur Auswertung der gewonnenen Ergebnisse wird sicher noch einige Zeit ins Land gehen. Bei einer ersten Diskussion der verschiedenen Eindrücke am Ende des Testtages wurde aber schnell klar, dass eine Befriedigung aller Interessen der Konfliktparteien nur schwer möglich sein wird. Während Szenario 2 (Änderung der Fahrtrichtung) auf der Seite der Testhörer den größten Anklang fand, erhielt dieser Ansatz von den Motorradfahrern eine klare Absage. Dabei stellt weniger der verändert Streckenverlauf ein Problem dar. Vielmehr verursacht die Änderung der Fahrtrichtung eine drastische Verschlechterung der Fahrsicherheit. Beim Entwurf der Strecke hatte ihr Schöpfer Hermann Tilke eine Umkehr der Fahrtrichtung schlichtweg nicht vorgesehen. Und so fehlen an entscheidenden Stellen die sicherheitsrelevanten Sturzräume und Auslaufzonen. Aber gerade die machen ein Fahrsicherheitszentrum ja schließlich aus. Auch die Option, die Geschwindigkeit auf einem Teilstück der Gerade auf siebzig Stundenkilometern zu begrenzen, ist für die Testfahrer indiskutabel. Nicht nur, dass dadurch die Idee eines Fahrsicherheitstrecke ad absurdum geführt würde. Es stellt sich auch die Frage, wer unter solchen Bedingungen noch bereit wäre, Geld für Veranstaltungen auf dem Gelände das DCB zu bezahlen.
Doch es gab auch konstruktive Kritik aus dem Fahrerlager. So wurde auf Anraten der Motorradfahrer noch eine zusätzliche Variante getestet. Hierbei wurde auf den direkten Spurt auf die Gerade verzichtet und ein Schikane um die Schleuderfläche simuliert. Auf diese Weise entfällt das harte Beschleunigen im nordöstlichen Streckenabschnitt, was einem Tempolimit gleichkäme.

Die Testfahrer bei der Analyse ihrer Fahreindrücke

Ob diese Idee bei den Verantwortlichen Zuspruch findet, unter Umständen doch die Umkehr der Fahrtrichtung durchgesetzt wird oder sogar alles beim Alten bleibt, wird erst die vollständige Auswertung der Messergebnisse und der Bewertungsbögen zeigen. Noch scheint ein Ende des Streits und eine einvernehmliche Lösung zum Wohle aller aber in weiter Ferne. Ausnahmsweise außer Hörweite, sozusagen.

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